Pol Pots Ende und eine lange Busfahrt

Nach einem Blitz- und Überraschungsbesuch bei einem Artenschutzprojekt des Münsteraner Zoos bei den Felsreliefs von Kbal Spean fahren wir weiter nach Anlong Veng, dem letzten Hauptquartier der Roten Khmer, wo der Bürgerkrieg erst vor 12 Jahren zu Ende ging.

Beim Frühstück entscheiden wir uns doch keinen Ruhetag einzulegen und machen uns stattdessen direkt auf den Weg zurück nach Thailand. Und tatsächlich läuft schon wieder alles wie am Schnürchen und schon am nächsten Tag, also heute, sind wir wieder in Chiang Mai. Zurück von der wohl unverplantesten und schönsten Reise, die wir bisher erlebt haben.

Die nordkambodschanische Stadt Anlong Veng und ihre Umgebung verbreiten noch heute eine eher gespenstische Atmosphäre. Ein großer Teil der erwachsenen Einwohner wirkt auf uns meist sehr ernst und verschlossen. Die meisten reagieren sogar gar nicht auf uns und starren uns bestenfalls vollkommen hohl und ohne jede erkennbare Regung an, es hat schon fast etwas von einem Zombiefilm. Keine Spur von den fröhlichen Gesichtern der letzten Wochen, dies hier ist wieder das Kambodscha, das wir vor sieben Jahren im Süden erlebt haben.

Eigentlich wollten wir uns in aller Ruhe die letzten Verstecke von Pol Pot und seiner Clique in der Umgebung ansehen, aber wir fühlen uns in dieser Gegend einfach nicht so recht wohl. Wir sind nur 70km von der Straße entfernt, auf der wir vor drei Wochen ins Land gekommen sind, aber die Stimmung könnte kaum unterschiedlicher sein.

Rund um Samroeng besteht das Land hauptsächlich aus irreal grünen Reisfeldern und fröhlichen, aufgeschlossenen Menschen. Der Weg nach Anlong Veng führt dagegen eher durch verwildertes, verbuschendes Land und richtigen ursprünglichen, dunklen Wald. Fast alles Land, auf dem kein Reis wächst und kein Haus steht, ist mit roten Warnschildern als potentielles Minenfeld markiert. Und zwischendrin immer wieder nagelneue, aber unbewohnte Häuser auf freiem Land – es sieht aus wie der mäßig erfolgreiche Versuch eines Programms zur Wiederbesiedlung dieses recht verlassenen Teils des Landes.

Hier war bis zuletzt die letzte Hochburg der Roten Khmer, hier wurde noch bis vor 12 Jahren Bürgerkrieg geführt und hier wohnen noch immer die, die man in Deutschland nach dem Krieg als Alt-Nazis bezeichnet hätte. Das Kriegsende ist hier fast 10 Jahre näher als im benachbarten Samroeng und wir sind uns nicht sicher, ob die Leute hier auch tatsächlich inneren Frieden geschlossen haben oder ob bloß ein Waffenstillstand herrscht.

Rückfahrt

Paradoxerweise wird die Stimmung nördlich der Stadt, in Richtung Thailand und der Dschungelverstecke der Roten Khmer, wieder deutlich gelöster. Das Land ist heller, der Hügelkette vor der Grenze wunderschön, die Ausicht von oben auf das flache Land davor spektakulär und die Leute viel entspannter. Jetzt, in der Regenzeit, sprudeln überall kleine Rinnsäle aus den Felsen und die Bäche und kleinen Wasserfälle links und rechts der Straße sind ganz klar und sauber. Durchgehend Minengeräumt und asphaltiert – eine traumhafte Fahrradstrecke.

Der Grenzübergang ist nicht ganz so proper hergerichtet, sondern nicht viel mehr als ein winziger Posten mitten im Nirgendwo. Ein paar strohgedeckte Bretterbuden, ein krummer, rot-weiss angemalter Baumstamm als Schlagbaum und allerfeinste Schlaglöcher von teilweiser erstaunlicher Tiefe in der Schotterpiste – das ist alles. Zumindest alles, was wir erkennen können, denn passenderweise hat es wärend unserer Mittagspause kräftig geschüttet und wir sind plötzlich mittendrin in dichten Wolken.

Auf der Thai-Seite wird die Landschaft fast noch sehenswerter und auch der Himmel klart auf. Die Straße schlängelt sich langsam wieder nach unten und unter uns liegt ein großer See oder ein zu einem See gewordener Fluss, dahinter dann wieder Reis, gewaltig angeschwollene Flüsse und Bache und noch etwas Reis. Ein Wahnsinns-Grün überall. Und mittendrin etwas, das aussieht wie Weinreben, aber da fingen wir wohl schon so langsam an zu phantasieren.

Busmarathon

Am Ende haben wir wieder einmal unglaubliches Glück. Eine halbe Stunde vor Dunkelheit kommen wir am Tagesziel an und dort wartet schon ein Bus auf uns, der uns in die nächste Stadt bringt, wo der Fernbus nach Chiang Mai hält. Abfahrt nur eine halbe Stunde später und auch noch genug freie Plätze. An einem Sonntag abend, mit zwei Fahrrädern!

Statt einer weiteren Hotelnacht also 16 Stunden im Bus und zum Mittagessen waren wir wieder zurück. Ganz plötzlich, 2 Tage früher als geplant und uns bleibt so mehr Zeit zur Erholung von der Busfahrt.

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