Kiruna: Der Winter ist zurück

Mittlerweile sind wir doch ein wenig vom Fleck gekommen und stehen gerade in Kiruna, der nördlichsten „echten“ Stadt Schwedens. Die Stadt ist gar nicht so häßlich wie es immer heißt, aber leider ist das Wetter wieder so richtig eisig. In den letzten zwei Tagen hatten wir hier einen Temperatursturz um 15 bis 20 Grad und sind jetzt schon froh, dass es wenigstens nicht regnet. Tagsüber 6 Grad, nachts nur haarscharf über Null. Wenigstens ist es im Moment fast mückenfrei.

Vorgestern abend waren wir etwas weiter südlich, in der Nähe von Gällivare, auf dem Berg Dundret um die Mitternachtssonne zu bewundern. Gemeinerweise war es allerdings nur fast wolkenlos – alles frei, bis auf einen kleinen, schmalen Streifen. Und jetzt ratet mal, wo genau dieser Streifen am Himmel stand. Krmpftz.

Zum Glück hatten wir vorher Andi getroffen, einen sehr netten Schweizer, der schon seit dem Frühjahr mit seinem nagelneuen kleinen Wohnmobil durch die Gegend fährt. Er ist auch mit hochgefahren und so haben wir entspannt bei einem Trollinger bei ihm im warmen gesessen und geplaudert wärend drausssen der Wind sehr eisig über das Gipfelplateau pfiff.

Die Stadt Kiruna hat uns sehr überrascht. Keine Schönheit, aber eine echte Stadt mit Leben. Es heisst immer, es sei die wohl häßlichste Stadt Schwedens. Aber wer das behauptet, war eindeutig nicht vorher in Gällivare/Malmberget, knapp 100km südlich. Das ist auch eine (oder zwei, je nach Zählweise) Bergwerksstadt, genau wie Kiruna, es wird auch das gleiche extrem hochwertige Eisenerz abgebaut (60..70% Eisengehalt, 72% sind das theoretisch überhaupt mögliche Maximum) und beides sind Retortenstädte, meist aus den 60ern. Beide bestehen zu großen Teilen aus 60er-Jahren Plattenbauten und Wohnblocks, aber Gällivare/Malmberget auf einem echten 60er-Jahre Grundriss mit völlig überdimensionierten Straßen und riesigen, kahlen Freiflächen zwischen den Gebäuden, Kiruna dagegen auf einem Grundriss von 1900. Ans Gelände angepasst, Strassen als Verbindung, nicht als Schneise und Freiflächen als echte Stadtparks mit richtigem Leben, selbst bei diesem Wetter, nicht einfach nur als kahle Müllablage und Parkplatz wie in Malmberget. Malmberget fühlt sich an wie eine runtergekommene Plattenbausiedlung in Bulgarien, Kiruna wie eine tatsächlich wahrgewordene optimistische Stadtplaner-Zeichnung.

Das Besondere an Kiruna ist aber die Tatsache, das es die Stadt nur noch vier Jahre lang geben wird. Die ganze Stadt ist ein gewaltiges Bergwerk. Aus beiden Bergen nebenan ist jeweils in der Mitte ein tiefer Streifen ausgeschnitten, dort ragte das Erz bis an die Oberfläche. Jetzt wird mittlerweile in 1000m Tiefe abgebaut und die eine Berghälfte samt Umland sackt immer weiter nach. Deshalb muss die ganze Stadt verlegt werden, in vier Jahren ist es so weit.

Das erstaunliche ist dabei für mich aber der jetzige Zustand der Stadt: Aufgeräumt und gepflegt. Es werden sogar noch Renovierungs- und Umbauarbeiten an manchen Gebäuden durchgeführt. Ich hätte jetzt eher erwartet, dass sie die totgeweihten Gebäude einfach runterkommen lassen, die vier Jahre wird es auch noch so gehen. Aber sie stecken sogar noch Geld rein. Erstaunlich.

So, das sollte heute reichen. Wir haben schon Lachs gekauft und treffen uns gleich mit Andi auf einem sehr schönen Stellplatz am Laxforsen, einer Stromschnelle hier in der Gegend. Ungefähr dort, wo im Winter das Icehotel steht, eine Art 5-Sterne-Luxusiglu.

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