Pyin U Lin, Busfahren und Pickups

Die letzten Mail in Bagan hatte ich gerade fertig, als mal wieder der Strom ausfiel. In dem Internetladen gab es dummerweise aber keine USV fuer die Rechner, sondern nur den klassischen Generator. Was bedeutet, dass ich eine gute Minute lang ohne Strom dasass und der Text weg ist.

Gluecklicherweise speichert WordPress automatisch jede Minute den Stand des Entwurfs, deshalb konnte ich ihn heute, drei Tage spaeter, von Pyin-U-Lin aus abschicken. Ihr bekommt also jetzt zwei Mails auf einmal. Diesmal geht es um Gelaendefahrten mit einem Reisebus, Afrika in Birma, um volle Pickups und was genau unter „voll“ zu verstehen ist, einen ehemaligen Diplomaten als Winzer und um Pferdekutschen.

Offroad mit dem Reisebus

Es gibt zwei Busarten auf der Strecke von Bagan nach Mandalay: Den Expressbus und den normalen Bus. Der normale fährt die gesamte Strecke auf Nebenstrassen, hält in vielen Dörfern und transportiert auch viele Waren. So einen hatten wir auf dem Weg nach Chaungtha Beach. Sehr nett, aber auch etwas langwierig. Und es gibt den Expressbus: Er fährt auf direktem Weg zum Highway und dann direkt durch bis Mandalay, nur 6 bis 6 1/2 Stunden für die 280 km zwischen den beiden wichtigsten Touristenstädten des Landes.

So hiess es jedenfalls. Das Problem ist nur, dass dieser Highway nur die letzten 60 km der Strecke ausmacht. Bis dahin, also 230 km, geht es über winzigste Pisten mitten durchs Nichts. In diesem Nichts müsste man eigentlich nur noch ein paar Giraffen und Zebras verteilen, dann könnte man es sofort als Kulisse für einen Afrika-Film verwenden. Alles staubtrocken und selbst die Kakteen sehen teilweise schon ziemlich schlapp aus. Die Pisten sind nur manchmal asphaliert, öfter nur aus Schotter oder, noch häufiger, nicht mehr als eine ganz schlichte Sandpiste, völlig ohne irgendeine Art von Befestigung. Unterwegs immer wieder ausgetrocknete Flusstäler, Brücken gibt es aber nur für die manchmal parallel verlaufende Bahnstrecke, die Piste geht durchs Flussbett. An einigen Stellen war sogar noch Wasser da, da fuhr der Bus dann über Schotter und Sand durch eine Furt. Und das alles mit einem ganz gewöhnlichen und eh‘ schon ziemlich runtergekommenen Reisebus. Wir haben jedenfalls schon sehr gespannt auf den Augenblick gewartet, wenn der Bus sich irgendwo festfährt, alle aussteigen müssen und wir alle gemeinsam die Kiste wieder ausbuddeln müssen. Erstaunlicherweise und gegen jede Vernunft ist das aber nicht passiert, und wir sind sogar pünklich in Mandalay angekommen. Allradantrieb, verstärkte Federungen oder erhöhte Bodenfreiheit sind etwas für Weicheier, echte Busfahrer schaffen es auch ohne 😉

Welten nebeneinander

So ganz problemfrei war die Fahrt natürlich nicht. Wo bliebe denn dann auch der Spaß, wir sind schliesslich in Birma: Eigentlich müsste ein platter Reifen das Wappentier dieses Landes werden. Diesmal waren es wieder knapp 90 Minuten bis der erste Reifen schlapp gemacht hat. Aber, wie üblich, kein Problem, das Werkzeug liegt bereit. Ungewöhnlich fand ich allerdings, dass die Männer bei der Gelegenheit gleich noch an der Bremse und am Stoßdämpfer rumgeschraubt haben. Als dann kurz danach der wirklich üble Teil der Strecke angefangen hat, wusste ich warum. Genützt hat es allerdings nichts, wenn ich die Stoßdämpfer nicht vorher selbst gesehen hätte, hätte ich drauf gewettet, dass gar keine eingebaut sind.

Diese Pause war allerdings besonders. Es war nicht auf freier Strecke, sondern mitten in einem kleinen Dorf wie aus einem Freilichtmuseum: Palmgedeckte Bambushäuser, ein Futtertrog für die Kühe nach Art eines Einbaums aus einem massiven Stamm geschnitzt, alte Frauen sortieren irgendwelchen bohnenähnlichen Dinge auseinander und Ochsenkarren fahren einen Bogen um den Bus. Eine Frau war besonders neugierig, wir haben dann herausbekommen, dass sie schon 75 ist. Wir hätten sie auf allerhöchstens 65 geschätzt. Trotz der harten Arbeit sah noch sehr viel frischer aus.

Pickup fah’n

Es war gar nicht so einfach, unseren Taxifahrer davon zu überzeugen, dass wir wirklich und ganz sicher mit einem Pickup und nicht wenigstens mit einem Sammeltaxi nach Pyin U Lin fahren möchten. Dank der glatten Fahrt waren wir so früh in Mandalay, dass wir uns die Rennerei einer Zwischenübernachtung sparen und lieber sofort weiter fahren wollten. Diese Pickups fahren los, sobald sie voll sind. Voll bedeutet ungefähr 24 Personen auf der Ladefläche und auf dem Dach, zusätzlich natürlich noch Gepäck und Warentransporte. Unterwegs steigen dann je nach Bedarf noch Leute zu und irgendwann auch wieder welche aus. „No, no, not suitable for foreigners!“ ist sich der Taxifahrer sicher. Irgendwann klappt es dann aber doch und wir erwischen sogar die zweitbesten Plätze: Ganz hinten. Irgendwo zwischen 1 1/2 und 3 Stunden sollen die 60 km mit über 1000 Höhenmetern dauern: Das sitzen wir doch auf einer Arschbacke ab! Alleine schon deshalb, weil wir wirklich ganz hinten sitzen und auf die Sitzbank nicht mehr draufzuquetschen ist. Hinter der Ladefläche, auf dem Ende der auf die aufgeklappte Ladeklappe verlängerten Holzbank.

Das klingt jetzt aber sehr viel unbequemer als es tatsächlich ist. Es gibt einen Haltebügel damit niemand verloren geht, wir haben eine erstklassige Aussicht und, ganz entscheidend, jede Menge Fahrtwind. Für eine Langstrecke oder Nachtfahrt sicher nicht das Richtige, aber kürzere Sachen machen so richtig Spass.

Pyin U Lin

Das Ziel unserer Pickup-Fahrt heisst Pyin-U-Lin, liegt in den Bergen etwas oestlich von Mandalay und ist wieder so ein Kandidat fuer die unausprechlichste Umschreibung eines Ortsnamens. Es gibt hier noch ziemlich viele Haeuser aus der Kolonialzeit und in der Stadt sind noch sehr viele alte Pferdekutschen unterwegs. So richtig mit geschlossenem Aufbau, mit Tuer an der Seite und allem, so wie man es aus Filmen kennt. Nicht als nettes Gimmick fuer die Touristen, sondern als ganz normales Nahverkehrsfahrzeug fuer den Alltagseinsatz.

Zuerst waren wir von der Stadt sehr enttaeuscht, sie war kein bisschen niedlich und romatisch sondern gammlig, laut und runtergekommen. Die Hotels hier sind ziemlich ueble Absteigen, hegen aber trotzdem sehr ambitionierte Preisvorstellungen und von der versprochenen guten Bergluft war zwischen den Abgasen auch nichts zu spueren.

Das hat sich dann aber sehr schnell geaendert. Mittlerweile sind wir den dritten Tag hier und wuerden glatt noch laenger bleiben, wenn wir mehr Zeit haetten. Die Hotels sind zwar nicht besser geworden und die Luft bleibt schlecht, aber die Leute hier sind so vollkommen anders als die, die wir bisher getroffen haben. Hier koennen wir einfach so durch die Stadt schlendern ohne dass uns staendig jemand Taxifahrten oder Souveniers aufschwatzen will. Die Leute sind entweder neutral desinteressiert oder sehr freundlich, aber nie aufdringlich. Selbst ein kurzes Gespraech mit einem Pferdekutscher ist moeglich, ohne dass er einen gleich fuer den Rest des Tages verfolgt und einem eine Fahrt aufdraengen moechte. Es ist moeglich, sich einfach mit einem „Bye!“ zu verabschieden und alle sind gluecklich!

Es gibt zwar auch hier da und dort mal einen, der uns Mondpreise abknoepfen will, aber meistens gibt es reelle Werte. Ploetzlich kostet ein komplettes, sehr reichliches Fruehstueck mit indischem Bohnen-Chiabatti, einigen frittierten Hefeteilchen, ein paar Samosas und richtigem (!) Kaffee hier aus der Gegend alles zusammen nur noch 1250 Kyat – 1 Euro, fuer beide zusammen. In Bagan haetten sie uns dafuer ab 3000 pro Person aufwaerts abknoepfen wollen. Eine Nudelsuppe mit Huehnchen kostet ploetzlich nur 300 Kyat (25 Cent) statt 700 bis 1800 (!) wie in Yangoon, die Banane in Blaetterteig 200 statt 1500 (20 Cent statt 1,25 Euro).

Es sind nicht die paar Euro am Tag, die wir ploetzlich weniger ausgeben als vorher. Es ist das Gefuehl, als ganz normaler Kunde behandelt zu werden und nicht als dumme Melkkuh, das wir bisher hier so vermisst haben. Ploetzlich macht es Spass, irgendwo etwas zu essen.

Gestern haben wir uns einen Motorroller ausgeliehen und einen Ausflug zu einem Wasserfall gemacht. 30 Minuten Fahrt und 45 Minuten Fussmarsch auf einem kleinen und steilen Pfad und wir kamen uns vor wie in einer Maerchenwelt. Ein richtig toller Wasserfall aus 20 oder 30 Metern Hoehe und unten zwei sehr schoene Pools zum Schwimmen. Spaetestens da waren wir von dieser Gegend hier begeistert.

Wein

Auf dem Weg zum Wasserfall ist mir ein Firmenschild von einem Weingut aufgefallen. Auf dem Rückweg halten wir und sprechen den Eigentümer darauf an. Es ist ein sehr netter alter Mann von 75 Jahren und er strahlt eine ungeheure Zufriedenheit aus. Im Laufe des Gesprächs stellt sich dann heraus, dass er ein ehemaliger Botschafterassistent und Unesco-Kulturbeauftragter im Ruhestand ist. Sein letzter Einsatz vor seiner Pensionierung vor zehn Jahren war in Paris und konsequenterweise hat er dann als Rentner in seinem Heimatort ein Grundstück gekauft und ein kleines Weingut gegründet.

Weil für Weintrauben aber weder das Klima noch der Boden hier passen, verarbeitet er Weintrauben aus einer Berggegend bei Bagan und produziert Fruchtweine: Erdbeerwein, Ananaswein und Damsonwein. Damson ist wohl eine Palmenfrucht, so ähnlich wie Datteln. Oder heisst es vielleicht sogar Dattel? Wir sind jedenfalls gleich heute abend losmarschiert und haben uns je eine Flasche Damson- und einen Erdbeerwein gekauft. Über das weitere Ergebniss unserer Untersuchungen werde ich dann in den nächsten Tagen berichten.

Erdbeerzeit

Hier ist im Moment der Höhepunkt der Erdbeersaison. Überall an den Straßen werden kleine (Bambus-) körbchen mit Erdbeeren verkauft. Wir waren ja sehr skeptisch und lassen so leicht nichts auf eine westfälische oder badische Felderdbeere kommen, aber die hier sind wirklich gut! Sie sind oft sehr klein, eher wie Walderdbeeren, und sehen zum Teil noch etwas unreif aus, schmecken aber unglaublich intensiv und aromatisch. Sie schmecken so intensiv, dass wir schon fast den Eindruck hatten, sie hätten Erdbeerjogurt mit künstlichen Aromastoffen zugesetzt.

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