Es ist Samstag mittag, noch keine 12 Uhr, und unser Tag ist schon gelaufen. Postiv gelaufen: Fruehstueck, Besichtigungen mit Reifenpanne, zweites Fruehstueck, Fahrkartenkauf. Hier in Bagan ist es in diesem Jahr noch heisser, als es fuer Maerz normalerweise schon sein sollte. Deshalb haben wir hier unseren Tagesrhytmus komplett umgestellt: Wir sind nur ganz frueh morgens und vormittags unterwegs und ab 11 Uhr, spaetestens ab 12 Uhr, bewegt sich bis zum spaeten Nachmittag nichts mehr. Nach Sonnenuntergang kuehlt es dann aber recht schnell wieder ab und zum Abendessen um 19 Uhr ist die Temperatur schon wieder bei 30 Grad angekommen. Auf diese Weise haben wir tagsueber sehr viel Freizeit zwischendurch und geniessen die Zeit mit einem Buch im Hotelgarten auf einer Hollywoodschaukel oder einem schattigen Liegestuhl.
Happy money, Sir!
Aber die Temperatur oder die Wege sind nicht die groesste Schwierigkeit hier. Das Hauptproblem hat zwei Beine und lauert hinter jeder Tempelecke und an jedem Eingang: Der Souvenierverkaeufer.
Am allerersten Morgen hier: Erste Ausfahrt, erste Tempelterrasse, der erste Blick ueber die Tempellandschaft im Morgendunst. Wegen dieses Blicks sind wir 10000km gereist und haben erst vor zwei Stunden eine 15-stuendige Busfahrt hinter uns gebracht. Wir sind sprachlos ueber diesen Anblick – und so ein Typ quatscht staendig von der Seite auf mich ein.
Ich haette ihn erwuergen koennen, keine Spur von asiatischer Gelassenheit. Wenn er mich wenigstens mal 10 Minuten haette staunen lassen und erst dann seine Verkaufsbemuehungen beginnt. Diese Leute haben oft keine Ausbildung und leben vom Souvenierverkauf. Es sind im Moment aber nur zwischen 10 und 30% der ueblichen Touristenanzahl unterwegs, also kleben sie umso hartnaeckiger an jedem Einzelnen. Die Jungs brauchen das Geld, das verstehe ich, aber so genervt kaufe ich erst Recht nichts.
An den grossen Tempeln stehen sie organisiert und mit komplettem Verkaufsstand, ordentlich im Spalier entlang der Wege ins Innere. Diese Leute sind harmlos und gut zu verkraften. An den kleinen Tempeln tauchen sie aber eher wild aus dem Hinterhalt auf. Keine Ahnung, wo sie vorher waren, aber ploetzlich sind sie da. Einfach so aus dem Nichts materialisiert. Hier in der Gegend werden ueberall Sandgemaelde und Lackdosen hergestellt. Fuer die Sandgemaelde wird ein Tuch mit Leim bestrichen und mit Sand bestreut. Auf dem Sandtuch wird dann gemalt, meistens Kopien der Malereien in den Tempeln oder auch fuer den westlichen Geschmack passendere stilisierte Moenchsszenen. Die Bilder sind zum Teil wirklich sehr schoen und noch dazu schon fast unanstaendig guenstig. Aber wir koennen beim besten Willen nicht bei jedem etwas kaufen. So viele Waende haben wir gar nicht in der Wohnung. Wir koennten hoechstens fuer jeden von euch ein Bild mitbringen, aber dann ist der Rucksack voll.
Gelbe Engel auf birmesisch
Wer in Deutschland eine Panne hat, ruft den ADAC. Wer in Bagan mitten im Nirgendwo ein Problem mit dem Fahrrad hat, tut: nichts. Denn er weiss, das Problem wird sich, ganz asiatisch, irgendwie schon von alleine loesen.
Heute morgen hat es mich auch erwischt, ein Prachtexemplar von einem Dorn mustergueltig im Hinterrad. So gross und so dick, dass er mit blossen Fingern nicht herauszuziehen war. Die letzten paar hundert Meter bis zum naechsten Tempel auf unserer Liste fuer heute schieben wir und freuen uns schon auf die Souvenierverkaeufer. Sobald sie uns sehen, greifen sie routiniert und siegessicher zu ihren Bilderrollen und den Postkarten, aber einer ist richtig schlau: „I can repair your bike!“. Wir vereinbaren, dass er das reparierte Fahrrad in einer halben Stunde zum unserem naechsten Tempel bringt und tatsaechlich: Genau in dem Moment, in dem wir mit unserer Besichtung fertig sind, kommt er mit dem zweiten Rad angestrampelt! Das war mal eine richtig lohnende Dienstleistung fuer beide Seiten. Ihn hat die Reparatur im naechsten Dorf garantiert nicht mehr als 100 Kyat (8 Cent) gekostet, die restlichen 900 Kyat (72 Cent) waren fuer seine Transportdienste. Der Junge war sowas von happy ueber das Geld und ist vor Stolz fast geplatzt, dass seine ganzen Verkaeuferkollegen mitbekommen haben, wie wir ihn bezahlen. Der Junge war einfach cleverer als die anderen!
Stand der Dinge
Eine Woche Bagan. Noch unendlich viel zu sehen, aber unsere Aufmerksamkeit laesst nach. Die Zeit hier war trotz der angenehmen Ruhephasen sehr anstrengend, hauptsaechlich wegen der teilweise sehr nervigen Leute. So richtig angefreundet haben wir uns noch immer nicht mit diesem Land bzw. mit seinen Leuten. Es gibt sehr, sehr viele sehr angenehme und nette Leute, hauptsaechlich die, die ihr Geld nicht im Tourismus verdienen. Unter den anderen sind aber leider immer wieder welche, die von Touristen auf die ganz plumpe Tour doppelte oder vierfache Preise haben wollen ohne dabei besonders gute Luegner oder wenigstens charmant zu sein. Diese Masche stoesst mich schon in der Tuerkei extrem ab, hier ist es nur wenig weniger schlimm. Allerdings sind wir uns auch bewusst, dass wir uns in der Touristenregion schlechthin befinden und die Leute echte wirtschaftliche Probleme haben, deshalb haben sie noch immer etwas Kredit. Wir hoffen noch immer, dass es in den kleineren Staedten mit weniger Touristen angenehmer werden wird.
Weitere Plaene
Wir wollen weiter. Morgen erstmal nach Mandalay. Das sind 230 km und dauert im Idealfall mit dem Expressbus ueber die nagelneue Autobahn im Idealfall 6 Stunden. Ob wir wirklich in Mandalay bleiben, werden wir noch sehen, denn die Stadt hat den Ruf, extrem heiss und stickig zu sein. Eigentlich wollen wir gleich weiter nach Osten in die Berge, nach Pyin U Lwin und Hsipaw. Die Orte sollen sehr schoen sein und vor allem liegen sie hoeher und sind wesentlich kuehler. Danach gehen unsere vier Wochen Visumslaufzeit langsam zu Ende und wir muessen wieder nach Yangoon.
