Sonne, Strand und Meer – wir hatten zum Auftakt ein paar saugemuetliche und sehr erholsame Tage am Strand. Die Entfernungen im Land sind zwar nicht so wild, die Busse dazwischen aber umsomehr. Zu unserem naechsten „richtigen“ Ziel – Bagan – sind es 580 km, dafuer ist man im Idealfall 18 Stunden unterwegs – falls alles glatt laeuft. Reifenpannen sind normal, spannendere Dinge passieren aber offenbar auch gerne einmal. Ein Paar haben wir schon getroffen, die mussten unterbrechen, weil der Bus ploetzlich Feuer gefangen hatte. Motor ueberhitzt, aber „no problem!“. Fix geloescht, die hatten offenbar darin schon Routine, etwas abkuehlen lassen und weiter geht’s.
Traveller-Talk
Es gibt hier im Land so wenig Touristen, dass man sich jedesmal freut, jemanden zu treffen und in der Stadt sogar die Strassenseite wechselt (teilweise ein grosses Opfer!), um ein wenig plaudern zu koennen. Fast alle, die im Augenblick hier unterwegs sind, sind auf groesserer Tour, viele ab 1-Jahres-Weltreise an aufwaerts. Und wiedermal kommen wir uns ein wenig wie bessere Wochenendausfluegler vor 😉
Ein sehr sympatischer Deutscher in unserem Guesthouse ist schon seit sechs Jahren unterwegs. Als er losfuhr muss er schon in seinen sechzigern gewesen sein und er will weiterreisen, solange es geht. Er hat eine unglaubliche Ruhe und Entspanntheit ausgestrahlt, es hat enorm Spass gemacht sich mit ihm zu unterhalten. Er hat neulich uebrigens dabei geholfen, seinen Bus mit Seilen wieder aufzustellen, nachdem der Fahrer eingeschlafen und der Bus in einer Kurve dann umgekippt ist. Die Busse hier sind sehr, sehr langsam unterwegs, niemand wurde ernsthaft verletzt und nach ein paar Stunden konnte es weitergehen.
Chaungtha Beach
Wir wollten nicht gleich mit einer 17-Stunden-Tour nach Ngapali-Beach anfangen, also ab nach Chaungtha, dem von Yangoon aus naechstgelegenen Strand. Nur 240 km, ein fuer diese Gegend leichter 7 1/2-Stunden-Ritt. Plus 1 Stunde Taxifahrt zum Busterminal weit, weit ausserhalb der Stadt. Der Haken dabei ist allerdings, dass der Bus schon um 6 Uhr morgens abfaehrt, wir mussten also wiedereinmal um halb vier aufstehen und um vier losfahren. Das Taxi hatten wir schon am Tag vorher organisiert und der sehr nette Fahrer war auch tatsaechlich auf die Minute puenklich vor der Tuer und es blieb vor der Busabfahrt noch genug Zeit fuer ein Fruehstueck am Terminal – perfekt.
Uns wurde schon ganz zu anfang prophezeit, dass wir ganz sicher mindestens eine Reifenpanne unterwegs haben werden. Und prompt nach nicht einmal 90 Minuten Fahrt: Peng! Alles steigt ganz routiniert aus, der Fahrer greift hinter seinen Sitz zum griffbereit liegenden Radschluessel und der Verlaengerungsstange. Nach gut zehn Minuten ist alles erledigt und es geht schon weiter – die Jungs haben offensichtlich Routine mit soetwas. In Deutschland wuerde es vermutlich laenger dauern, bis der Fahrer auch nur herausgefunden haette wo das Bushandbuch liegt, das erklaert, wo der Reservereifen gelagert ist.
Der Bus war rappelvoll, aber wir hatten gluecklicherweise Platzkarten fuer Sitzplaetze und mit den Reissaecken zwischen den Knien konnten wir wenigstens nicht umfallen. 😉 Es war ein ausrangierter japanischer Stadtbus irgendwo aus den 70ern, aber er fuhr noch prima. Die Fenster gehen auf, die Temperatur sehr angenehm – es war erstaunlicherweise eine sehr angenehme und entspannende Busfahrt und wir fuehlten uns praechtig, als wir kurz nach Mittag am Stand ankamen.
Das war uebrigens das erste Mal fuer uns, dass die auslaendischen Touristen an einem Strand bei weitem in der Minderheit sind. Hier beginnen gerade die grossen Ferien und nachmittags ab 16 Uhr wimmelte der gesamte Strand von einheimischen Touristen. Alle waren ganz entspannt und haben sich immer tierisch gefreut, wenn sie einen der seltenen Auslaender gesehen haben oder einer von denen sogar ins Wasser gegangen ist. Sie waren immer sehr angenehm und haben nie jemanden penetrant angequatscht oder so und haben eine enorm froehliche Stimmung verbreitet.
Im Reisefuehrer halten sie nicht viel von diesem Strand: Eher schmuddelig, dunkel und maessige Unterkuenfte. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob der Author wirklich dort gewesen ist. Das Wasser am Hauptstrand ist bei Niedrigwasser tatsaechlicher sehr trueb, eher wie die Nordsee. Aber bei Hochwasser ist es ok und nur 500m weiter, um zwei Felsecken in Richtung Norden, kommt ein unendlicher und vollkommen einsamer Strand mit teilweise kristallklarem Wasser. Angeblich soll der Strand 13km lang sein, weiter als bis zur naechsten Pagode nach einem Kilometer sind wir aber nie gekommen.
Unser Zimmer war eher ein Palast: Alleine das Badezimmer war groesser als das ganze Zimmer hier in Yangoon. Dazu eine sehr schoene Veranda im ersten Stock, immer mit einer frischen Brise, da konnten wir perfekt entspannen. Die hatten sogar einen Buecherschrank, wo wir uns kostenlos auch deutsche Buecher ausleihen konnten. Nachmittags, waerend der heissen Zeit, dann noch eine Ananas auf die Veranda liefern lassen – fein, fein, wir haben es uns richtig gut gehen lassen.
Arbeitsunfall
Zwischen den beiden Felsecken ist eine Art kleiner Steinbruch am Strand: Sie haben den Sand zur Seite gegraben und bauen von Hand den Felsen darunter ab. Die Stuecke werden dann wieder von Hand mit einem Hammer zu Kies und Schotter zerkleinert und fuer den Strassenbau weiterverkauft. Eines Tages laeuft uns eins der Kinder dort entgegen, haelt uns seinen Arm entgegen und bittet uns um Hilfe. Er hat sich bei der Arbeit mit einer scharfen Steinklinge ein Stueck aus dem Unterarm geschlagen. Die Wunde ist offenbar schon zwei oder drei Tage alt und sieht gar nicht gut aus. Einfach weitergehen geht nicht, also nehmen wir ihn mit zum Hotel und einen der Angestellten dort als Dolmetscher mit zum Krankenhaus im Ort. Das Problem ist allerdings, dass der Kleine eine enorme Angst vorm Krankenhaus hat, er hofft lieber, dass wir irgendeine Wundersalbe dabeihaben, etwas davon draufschmieren und nach eine Stunde ist alles wieder gut. Ein anderer einheimischer Tourist beruhigt ihn und kommt auch mit. Das Krankenhaus ist eher eine Sanitaetsstation, aber sie koennen die Wunde zumindest saeubern, verbinden, ihn mit Antibiotika und einer Tetanusimpfung versehen. Spaeter lassen wir seiner Mutter dann noch die Einnahme der Medikamente erklaeren und dass sie regelmaessig zum Verbandswechsel wiederkommen muessen. Ich hoffe, sie tut das auch wirklich. Bezahlt haben wir das schon, hoffentlich hat sie das auch wirklich verstanden und bleibt nicht aus Angst, nicht bezahlen zu koennen, zuhause. Der Junge hat enormes Glueck gehabt. Das, was wir fuer Eiterblasen gehalten haben, war in Wirklichkeit die teilweise freigelegte und schon angeschrammte Armvene. Es fehlt nicht viel zum Platzen.
Es bleibt die pessimistische Frage: Was bringt’s?
Er wird sicherlich weiterhin Steine klopfen, er wird nicht zur Schule gehen, er wird ein Tageloehner werden wie seine Eltern. Er wird dauerhaft Probleme haben, sich und seine spaetere Familie zu ernaehren. Was haben wir also – ausser einem etwas beruhigten Gewissen eines reichen Auslaenderpaerchens – gewonnen? Mir faellt nicht viel ein. Wenn sich die Wunde ernsthaft entzuenden wuerde, koennte ich mir vorstellen, dass diese Verletzung unbehandelt die gesamte Hand beeintraechtigen koennte und ihm das Leben dann noch schwerer machen wuerde, weil er nicht einmal mehr arbeiten koennte. Dieses „koennte vielleicht, wenn“ ist der einzige echte Unterschied, den ich mir vorstellen kann. Sein eigentliches Problem waere auch mit ein paar zugesteckten Geldscheinen nicht zu loesen.
Regel eins: Niemals aircon-Bus
Ich hasse Klimaanlagen. Fast immer und fast ueberall. Ganz besonders aber in Bussen in warmen Laendern. Fuer die Rueckfahrt war der normale Bus leider schon ausgebucht und wir mussten den AC-Bus nehmen. Es gibt nach meinen Erfahrungen genau zwei Arten von klimatisierten Bussen:
a) starke Klimaanlage
Eine fuer das jeweile Aussenklima ausreichend leistungsfaehige Anlage mit Reserven, die jederzeit ausreichend angenehm temperierte Luft zugfrei verteilen kann. Um aber die erstklassige Leistungsfaehigkeit und den guten Zustand der Anlage unter Beweis zu stellen, stellt der Fahrer die Temperatur auf Minimum und das Geblaese auf Maximum, unabhaengig von den Aussentemperaturen. Das Resultat hat etwas von einem Schneesturm im Januar.
b) schwache Klimaanlage
Mit den beim Bau des Busses nicht eingeplanten hohen Aussentemperaturen hoffnungslos ueberforderte Anlage, die nach allerfruehestens zwei Stunden ein kleines Bisschen Linderung verschafft, indem die Temperatur sich zumindest in etwa der Aussentemperatur annaehert. Dummerweise allerdings von oben, nachdem es lange Zeit im Bus sogar noch heisser war als draussen und das viel zu schwache Geblaese auch keinerlei Erfrischung bringt. Der Schweiss kann sich voll entfalten und in Stroemen fliessen.
Unser Bus war eindeutig von der Kategorie b), oder eher noch Kategorie b+), weil wir ganz hinten sassen und so zusaetzlich noch von der Waerme des Motorraums unter uns und der Kraft der Sonnenstrahlung durch das Heckfenster hinter uns profitieren konnten. Was waren wir froh, wenn wir in einer Pause aus dem Brutkasten rauskamen! Nachmittags sind es hier um die 35 Grad, das war sehr deutlich kuehler als drinnen und mit etwas Wind noch dazu.
Regel zwei: Keine Regel ohne Ausnahme
Ich bin allerdings auch in der Lage, meine allgemeine Abneigung der modernen Klimatechnik gegenueber gelegentlich ein wenig zurueckzunehmen. Dieser Internetladen hier ist massvoll klimatisiert und wir geniessen die Entspannung sehr. Zwischen 12 und 16 Uhr macht es in der Stadt im Moment wirklich keinen Spass.
Zeitspruenge
Ich habe noch immer so meine Probleme mich in einer passenden Zeit einzufinden. Ich reise sehr gerne gerade in „Museumslaender“, wo alles noch etwas hinterher ist und sich eine oft spannende Mischung als Vergangenheit und Gegenwart ergibt. Aber hier ist es extrem gemischt. Auf den Strassen sind noch viele alte Hino-LKWs aus den 50ern unterwegs, so richtig schoen mit riesiger runder Schnauze vornedran. Geladen haben sie dann aber moderne Schiffscontainer aus China. Die Gebaeude in Yangoon stammen alle noch aus der Kolonialzeit, die meisten irgendwo zwischen 1910 und 1930. Zum Teil sind sich noch mit den Original Lampen und Tueren aus der Zeit ausgestattet und die gesamte Stadt koennte wirklich spektakulaer praechtig aussehen, wenn das alles einmal saniert wuerde. Dazu kommt dann noch der fehlende Strom und die abendliche Dunkelheit wie zu Zeiten der ersten Gaslaternen, das passt perfekt in die Epoche. Dazwischen fahren dann alte japanische Autos, die meisten aus den 70ern und fruehen 80ern. Habt ihr schon einmal einen von diesen ganz alten Mazdas aus den fruehen 70ern gesehen? Mit dem alten Firmenlogo drauf? Das Ding sieht aus wie eine Kreuzung von einem Trabbi mit einem alten Peugot. Es gibt sogar eine Pickup-Version davon!
Und mittendrin die Gegenwart. Klimatisierte Geschaefte mit eigenem Generator, die so 1:1 auch bei uns in einer Fussgaengerzone stehen koennten. Genau die gleiche Ladeneinrichtung, die gleiche Beleuchtung, gleiche Waren, gleiche Preise, alles gleich. Leuchtreklamen, Musiklaeden mit lauten Videos in vollkommen moderner Optik. Gestern im Bus liefen auch solche Sachen. Von unserem Platz ganz hinten im Bus war der Blick durch die Frontscheibe auch nicht viel realer als die Videos auf dem Fernseher, es war aber enorm schwierig, zwischen den beiden Welten umzuschalten. Auf dem Bildschirm eine Scheinweilt in einer Plastikkulisse und huebschen Saengerinnen in langen Abendkleidern, draussen Reisfelder und Bambushuetten wie im Pfahlbaumuseum am Bodensee. Es war einfach nicht moeglich, hin- und herzuschauen.
Myanmar-Pop
Diese Musikvideos sind etwas ganz besonderes. Von der Optik, dem Schnitt und der Beleutung ganz genau wie bei uns, nur die Musik ist anders. Es gibt hier keine westliche Musik in dem Sinne, sondern immer nur als „eingeburmeste“ Coverversionen von Oldies aus den 70ern und 80ern. Den Videos nach ist der Text nicht einfach nur uebersetzt, sondern inhaltlich komplett anders, die Melodie passt aber meistens 1:1. Wir haben schon Roxette, Queen, Status Quo, Brian Adams und ein paar etwas neuere Sachen wiedererkannt. Gestern im Bus lief sogar mal eine Art Hip-Hop-Version von dieser alten Rumba-Nummer „Last goodbye“. Sehr schraeg!
Wir muessen unbedingt noch rausfinden, ob die Leute hier wissen, dass das nur gecoverte alte Sachen sind oder ob die glauben, die Saenger haetten das erfunden.
Stand der Dinge
Mittlerweile sind wir gut in den Tritt gekommen und unsere Ankunft gestern abend wieder in Yangoon lief schon sehr viel souveraener ab als das erste Mal letzte Woche. Wir konnten auch ganz locker unterwegs dem Taxifahrer die richtige Seitenstrasse zu unserem Guesthouse erklaeren. Wir wussten, wo wir hinwollen und hatten das Zimmer schon vorher reserviert. Superangenehm!
Mit dem Essen machen wir auch langsam Fortschritte. Die ersten Tage waren wir eindeutig im falschen Viertel unterwegs, die Garkuechen dort waren alle ziemlich schmierig, allerhoechstens maessig sauber und rochen aeusserst verdaechtig. Genussvolles Essen sieht anders aus. Aber erstaunlicherweise hat unsere Verdauung alle heimtueckischen Anschlaege bisher erstklassig weggesteckt – wir wundern uns jeden Tag von neuem. Mittlerweile haben wir ein gutes Viertel mit erstklassigem Futter entdeckt. Alles blitzsauber, sehr guenstig und in der Regel sehr lecker. Viel besser!
Die Sache mit dem Bargeld hat sich auch entspannt. Wir zahlen zwar immer noch relativ oft ueberzogene Touri-Preise, es wird aber besser. Ganz langsam entwickeln wir ein Gefuehl fuer realistische Preise und koennen zumindest manchmal qualifizierte Gegenangebote abgeben. Der Finanzbedarf hat jedenfalls schon stark nachgelassen und ploetzlich ist es hier nicht mehr viel teurer als in Thailand. Ausserdem haben wir neulich ein anderes deutsches Paeaerchen auf dem Rueckweg nach Thailand getroffen, die gerne noch ihre restlichen Dollar gegen unsere Baht getauscht haben. Jetzt haben wir deutlich mehr aktives Reisekapital. Irgendwie ergibt sich doch immer wieder unterwegs eine Loesung. 🙂
Weitere Plaene
Wir wollen jetzt moeglichst flink nach Bagan, alles andere kommt spaeter. Die Busse heute und morgen sind ausgebucht, deshalb haengen wir bis uebermorgen nachmittag noch in Yangoon fest und koennen noch ein wenig unser Lieblings-Guesthouse geniessen und euch mit ewig langen Mails bombadieren (Sorry, ich bin mal wieder viel zu geschwaetzig…). Hier in Yangoon sind die Leitungen noch halbwegs ok, ungefaehr auf dem Niveau eines 19.2er Modems. In Bagan soll es dann schwieriger werden – mal sehen.
Bis dahin,
Michael