Yangoon

Dritter Tag Birma und so ganz, ganz langsam fangen wir an, uns einzufinden. Das Land ist total und vollkommen anders als alles andere, was wir bisher erlebt hatten – das hatten wir so nicht erwartet. Wir hatten mit einer Art „Laos fuer Fortgeschrittene“ gerechnet, aber das ist es auf keinen Fall.

Birma ist das erste Land, in dem wir tatsaechlich den Eindruck haben, in einem sehr armen Entwicklungsland zu sein. Selbst Kambodscha ist sehr viel weiter entwickelt und wirkt sehr viel wohlhabender als Birma – und das soll etwas heissen. Eine andere Reisende meinte, selbst in Afrika waere ihr so etwas nicht untergekommen.

Stromsperren sind hier offenbar landesweit die Norm, funktionierender Strom die Ausnahme und kommt nur fuer ein paar Stunden pro Tag (oder Nacht). Die Atmosphaere in Yangoon nach Sonnenuntergang ist wirklich gespenstisch. Die gesamte Stadt – immerhin ueber vier Millionen Einwohner – ist dunkel. Komplett. Das einzige Licht geben die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos und die batteriebetriebenen LED-Lampen an den Verkaufs- und Essensstaenden. Hier und da gibt es noch ein wenig Licht von einer Taschenlampe in einem der Fenster in der Nachbarschaft und das war es dann oft auch.

Die meisten Geschaefte haben wegen der Stromsperre natuerlich eigene Generatoren und so sind die Geschaeftsstrassen doch etwas beleuchtet. Die Geraete stehen dann immer vor der Tuer, die Luft ist dann entsprechend und laut wird es auch.

Dazu dann diese voellig unasiatische Stille in der Nacht: Keine laut scheppernden Klimaanlagen in der Nachbarschaft, kein staendig hupender Verkehr, keine Mopeds. Wir wohnen im Zentrum der dicht bebauten Altstadt und schlafen bei offenem Fenster bestens. Nachts wird es sogar so frisch, dass wir tatsaechlich eine Bettdecke brauchen.

Unser Guesthouse ist ein ganz knuffiges Holzhaus in einer kleinen Querstrasse. Wir wohnen in einem kleinen Zimmer komplett aus Holz mit bunten Fenstern, Dielenboden und Schnitzereien an den Balken. Sehr nett!

Die ganze Altstadt wirkt nachts allerdings dann gespenstisch. Zu britischen Kolonialzeiten gab es wohl einmal Asphalt, davon sind in den Querstrassen nur Reste erhalten. Die ganze Stadt besteht noch aus den alten britischen Jugendstilhaeusern, ist aber leider total verfallen. Viele Haeuser sehen so aus, als wuerden sie jeden Moment in sich zusammenfallen, sind aber noch bewohnt. Nachts wirken sie dann eher wie Ruinen als wie Haeuser und wenn sich dann ploetzlich in einem Fenster oder auf einem Balkon jemand bewegt, kommt das vollkommen ueberraschend. Wenn man hier die Stadt mal komplett renovieren wuerde, waere das eine Touri-Attraktion allererster Guete.

Der erste Tag in Yangoon war ziemlich grauenhaft. Wir haben uns hier als vollkommene Reiseanfaenger gefuehlt: Keine Ahnung von nichts. Es war ein Gefuehl wie damals bei den ersten ein oder zwei Spaziergaengen in Bangkok auf unserer ersten Thailandreise. Keine Ahnung von der Stadt, wo man was bekommt, was etwas kosten darf, welche Leute man besser meiden sollte – nichts. Noch nicht einmal den fairen Wechselkurs oder das Aussehen der Geldscheine kannten wir. Wir wussten, dass auch ungueltige im Umlauf sind, die Touristen gerne angedreht werden. Geldautomaten als zuverlaessige Erstquelle gibt es hier nicht, Banken duerfen mit Auslaendern keine Geschaefte machen, getauscht wird in Hinterzimmern oder kleinen Gassen auf dem Schwarzmarkt. Staendig werden wir angesprochen, ob wir nicht noch etwas Geld wechseln moechten. Das Ganze fuehlt sich alles sehr konspirativ an, zuletzt habe ich so etwas in Moskau erlebt, als St. Petersburg noch Leningrad hiess und die UdSSR noch in voller Bluete stand.

Das (Bar-) Geld wird hier offenbar unserer groesstes Problem werden. Es gibt keine Automaten oder Kreditkarten, nur Bargeld. Das wussten wir vorher und haben deshalb grosszuegig mehr als das Doppelte, was wir fuer einen Monat Thailand einplanen wuerden dabei: 1200 Euro, locker drei bis vier Jahresloehne. Aber wie es aussieht, werden wir immer sehr genau rechnen muessen und sind auf die Busse angewiesen: Inlandsfluege koennen wir uns wohl schlicht nicht leisten, weil auch die bar bezahlt werden muessen und von unserem knappen Vorrat abgehen. Damit ist uebrigens auch unser Plan von der Ausreise ueber Land nach Thailand hinfaellig. Das Exitpermit kostet 96$, dazu noch 160$ fuer einen Inlandsflug, um ueberhaupt in Grenznaehe kommen zu duerfen.

Das Preisniveau hier ist erstaunlich. Ein Zimmer kostet ab 10 US$ aufwaerts, normalerweise um die 20$. Busfahrten von 200km schnell mal 10$ pro Person, dazu dann noch 8$ fuer das Taxi zum Busbahnhof weit ausserhalb. Selbst die Garkuechen sind sehr viel teurer als in Thailand, unter 1,50$ pro Person ist nicht viel los. In Thailand ist man fuer 65 Cent schon pappsatt. So sind unsere 20 Euro pro Person und Tag sehr viel schneller weg als gedacht, da haetten wir wohl besser mehr eingepackt. Wir haben schon mehrere Leute getroffen, die ihre Fahrt verkuerzen mussten, weil sie dringend Nachschub gebraucht haetten.

Davon abgesehen leben wir uns aber langsam hier ein. Wir bewegen uns schon sehr viel sicherer in der Stadt und haben es gestern sogar schon geschafft, den Stadtbus zur Shwedagon-Pagode zu nehmen. Auf dem Rueckweg hat Maria den Bus dann sogar schon ohne Fragerei an seiner Liniennummer erkannt – die birmesischen Ziffern haben wir in der Pagode aus den Tempelbeschriftungen gelernt 😉 Heute war ein schoen ruhiger Tag, wir konnten gemuetlich durch die Stadt schlendern. Morgens haben wir uns das Permit fuer die Fahrt nach Chauntow (oder so) an den Strand besorgt. Das liegt unten im Delta, deshalb braucht man sogar dafuer seit neuestem ein Permit. Es zu bekommen war aber erstaunlich einfach: Im Buero der staatlichen Tourismusbehoerde einen kurzen Formbrief abschreiben und einreichen in dem man knapp erlaeutert, was man dort will (for leisure propose) und man versichert, dass man dort in keiner Weise politisch taetig werden will, danach bekommt man ein Formular mit ein paar Stempeln, soll im Copyshop gegenueber noch schnell vier Kopien machen und fertig – keine Viertelstunde und erstaunlicherweise sogar kostenlos.

Heute haben uns auch schon sehr viel weniger Leute angesprochen. Wir wirken wohl schon nicht mehr ganz so unbeholfen wie vorgestern. 🙂

In meinem Entwurf habe ich hier noch viel, viel mehr stehen, aber der Text ist so schon wieder viel zu lang geworden. Vielleicht geht es ja in den naechsten Tagen weiter. Bis dahin,

Michael + Maria

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Eine Antwort zu Yangoon

  1. Willy sagt:

    Hallo Ihr Beiden !

    …und ich hab mich in Tunesien vor 20 Jahren schon unsicher gefühlt.
    Klingt ja megaspannend. Mehr davon!

    Euer Willy

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