Lahore

Der Campingplatz in Islamabad ist nicht der einzige Platz, um andere Overlander zu treffen. In Lahore gibt es das „Regal Internet Inn“ – *DIE* Backpacker-Unterkunft Pakistans. Dieser eine Laden ist für Pakistan in etwa das, was die Khao San Road für Bangkok ist. So ähnlich muss es dort auch einmal angefangen haben, irgendwann vor 30 Jahren oder so. Eine winzige Absteige in einer ziemlich schäbigen Seitengasse, aber ein sehr rühriger Besitzer, der durch seine Aktivitäten die Leute anzieht. Es gibt dutzende richtige Hotels in der Stadt, trotzdem geht praktisch jeder Ausländer automatisch hierhin.

Hier haben wir auch das polnische Paar wieder getroffen, die wir auf der Straße von Bahawalpur nach Lahore vor zwei Wochen schon getroffen hatten. Sie sind mit den Rädern von Polen erst durch Zentralasien und dann durch den Iran gefahren und wollen jetzt auf einer ähnlichen Route weiter durch Indien wie wir. Sie haben in Lahore auf ihre Indien-Visa gewartet und sind zum Abholen nur kurz mit dem Bus nach Islamabad gefahren.

Es gibt nur drei Zimmer und drei kleine Schlafsääle, deshalb sind alle Betten praktisch immer ausgebucht. Die ersten zwei Nächte war für uns auch nur noch etwas im Schlafsaal frei, das hat aber wesentlich besser funktioniert als wir erwartet hatten. Obwohl der Raum zur Straße rausgeht und leider ein Fenster schon seit längerer Zeit kein Glas mehr enthält. An niedrige Nachttemperaturen waren wir ja schon aus Islamabad gewöhnt und dank unserer superwarmen Zusatzdecke aus dem Iran war es sogar noch kuschelig warm.

Als die beiden Polen weitergefahren sind konnten wir uns gleich ihr Zimmer sichern, sind aber gar nicht mehr so sicher, ob das wirklich schlau war. Nebenan ist der Computerraum, dort quatschen die Angestellten gerne lange und laut – ohne Ohrenstöpsel geht da gar nichts. Im Schlafsaal war der Straßenlärm dagegen eher im Hintergrund und sehr gleichmäßig. Es war unsere allererste Nacht in einem Schlafsaal überhaupt, wir waren dort sehr gut zufrieden.

„To or from India?“

Die Atmosphäre in diesem Laden ist sehr angenehm. In Pakistan sind zur Zeit fast ausschließlich Overlander unterwegs, es gibt praktisch keine Flugtouristen. Die wichtigste Frage, die hier jedem Neuankömmling auch grundsätzlich als erstes gestellt wird ist deshalb ganz einfach: „To or from India?“

Niemand reagiert hier erstaunt, wenn jemand mit dem Fahrrad oder dem Auto anreist. Wenn wir im Gespräch darauf kommen, dass wir mit dem Auto unterwegs sind, kommt hier in der Regel nur ein „Oh, gut!“. Sonst nichts, das Gespräch geht einfach mit Tipps zur Visabeschaffung oder zu guten Unterkünften in allen Gegenden von Indien und Pakistan weiter. Zur Zeit sind hier erstaunlich viele Japaner mit Bussen oder Fahrrädern unterwegs, bisher sind uns eigentlich noch nie mehrere japanische Rucksackreisende begegnet. Neulich war eine ältere Amerikanerin hier, die sich vorgenommen hat, die Welt zu Fuß zu sehen. Sie ist jetzt seit 10 Jahren unterwegs und hat schon etwa die Hälfte gesehen, deshalb rechnet sie damit, noch weitere 10 Jahre unterwegs zu sein. Sie ist im letzten Jahr aus China gekommen und hat sich alleine für Kaschmir und den Karakorum fast sieben Monate Zeit gelassen. Jetzt bekommt sie aber endgültig keine Visaverlängerung mehr und ist vor ein paar Tagen nach Indien losgegangen. Vielleicht treffen wir sie ja demnächst noch einmal wieder.

Es herrscht hier eine recht familäre Atmosphäre, obwohl immer wieder neue Leute ankommen und andere Leute weiterfahren. Hier gibt es jede Menge Informationen über alle Reiseziele rund um Asien und wo es welches Visum in welcher Zeit gibt. Und es ist der perfekte Platz, um Leute wiederzusehen, denen man unterwegs irgendwo sonst schon begegnet ist. Von den beiden Polen hatte ich schon geschrieben und jetzt gerade kommt hier eine Spanierin an, die wie vor genau zwei Wochen vor der indischen Botschaft in Islamabad zum ersten Mal gesprochen hatten. Sie war eine lange Zeit bei Freunden dort in der Stadt und will jetzt zum Schluss noch etwas nach Indien.

Besuchsprogramm

Seit letztem Freitag ist hier in ganz extrem viel Polizei auf den Straßen. So richtig schön dick gerüstete SEKs mit schusssicheren Westen, Schilden und Helmen. Wir hatten schon befürchtet, es lägen wieder irgendwelche Freitags-Ausschreitungen in der Luft, nachdem es am Freitag davor gerade einen Anschlag auf einen der obersten Richter des Landes gegeben hatte. Ist aber offenbar nur halb so wild, es sind nur die Sicherheitsmaßnahmen wegen des Besuchs des kanadischen Premierministers.

Touristisches

Die Stadt an sich muss einmal wunderschön gewesen sein. Wir wohnen hier in einer Seitenstraße der „Mall“, die große Einkaufstraße der Stadt. Überall stehen noch die alten Häuser aus der Kolonialzeit, erbaut rund um die Jahrhundertwende. Türmchen, Erker, Kuppeln, Skulpturen, das volle Programm. Leider ist alles total vernachlässigt, seit dem Abzug der Engländer 1947 ist wohl kein einziger Handschlag mehr getan worden. Viele Häuser sind bereits teilweise in sich zusammengefallen, ein guter Teil der verbliebenen ist auch schon unbewohnbar und wird wohl in naher Zukunft einfach zusammenfallen. Es ist erstaunlich, dass hier nicht mehr Leute von umkippenden Hauswänden erschlagen werden.

Probleme auf pakistanisch

Werfen wir doch einmal einen Blick in die englischsprachige Zeitung von heute: „The News“, 22. Januar 2007:

  • Seite 1: Im Irak erklären sich die Männer um Sadr bereit, wieder an einer Regierung mitzuwirken. Wie schön.
  • Seite 1: Indien und Pakistan verhandeln über die Einführung eines speziellen Langzeitvisums mit zwei Jahren Gültigkeit für Einwohner des jeweils anderen Landes mit Verwandten über der Grenze. Hatten wir damals mit der DDR doch auch so ähnlich, fein.
  • Seite 3: Stand des Verfahrens am obersten Gerichtshof, der zur Zeit die Möglichkeit prüft, zu den bevorstehenden Basant-Feiertagen vorübergehend das Drachensteigenlassen zu legalisieren. Biddeschööön?

Das Steigenlassen von Drachen ist hier tatsächlich illegal. Schon seit einiger Zeit, da es in der Vergangenheit zu viele Tote dabei gegeben hat – alleine in Lahore zwischen 20 und 50 Tote jedes Jahr. Die verwenden hier offenbar nicht die normale runde Plastikschnur wie bei uns, sondern extra scharfkantige Metallfasern, da drin bleiben dann immer mal wieder vorbeifahrene Motorradfahrer hängen. Sie werden zwar nicht gleich Hollywood-reif geköpft aber zumindest wird ihnen die Kehle aufgeschnitten. Die haben echt Fieber hier.

Aber bei dem Wind in Deutschland im Moment ist es wohl auch bei euch gerade nicht besonders schlau, mit dem Drachenfliegen anzufangen…

Ganz windige Grüße von

Michael und Maria

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