Lärm, Nha Trang, Doclet, Hoi An

Hallo liebe Leute!

Nach langer Zeit sitze ich endlich mal wieder etwas länger am Rechner und kann etwas erzählen…

Seit der letzten Mail aus Dalat waren wir wieder viel unterwegs und so langsam wissen wir auch, wie wir es am besten hätten planen sollen – hinterher schlauer zu sein, ist eine exakte Wissenschaft 😉

Heute ist unserer letzter Tag in Vietnam, unser Visum läuft aus. In vier Stunden startet unser Bus nach Vientienne in Laos, eine 22-stündige Gewalttour. Vorher muss allerdings noch unser Laos-Visum rechtzeitig hier sein, sonst wird es eng an der Grenze. Mal sehen. Ich hatte immer gehört und gelesen, man würde das Visum für 20$ an der Grenze bekommen – aber leider nur an den Übergängen von Thailand aus. Von Vietnam aus nur bei der Botschaft für schlappe 89$ pro Person – aua, das war nicht eingeplant! Für das Geld könnten wir schon fast fliegen.

Aber unser Reiseplan ändert sich sowieso fast täglich, und falls einmal drei Tage lang alles läuft, wie wir es uns vorgestellt hatten, kann das nur bedeuten, dass das nächste wichtige Ereigniss vor der Tür steht. Vietnam ist ein enorm großes Land, und extrem interessant noch dazu. Unserer ursprünglicher Plan, bis Hanoi und noch weiter in den Norden zu kommen, hatte sich schon kurz nach Dalat in Nha Trang aufgelöst. Nha Trang selbst ist vollkommen uninteressant, ein selbst für vietamesische Verhältnisse ungewöhnlich lauter und hässlicher Ort. Der Strand ist ganz ok, aber auch dort gibt es diese lästigen Verkäufer, die alles entwerten. Aber in der Umgebung gibt es den Strand: Eine riesige Bucht, etliche Kilometer lang, weißer Sand, kristallklares, türkisfarbiges Wasser, bunte Fischerböötchen, Palmen – wie aus dem Reisekatalog. Und das ganze weitgehend unerschlossen, nur zwei kleine Anlagen mit jeweils einem Dutzend Leuten, gut 2km voneinander entfernt. Einmal haben wir versucht, bis an ein Ende der Bucht zu gehen, aber nach drei Stunden haben wir aufgegeben und sind umgekehrt. Die (wunderschöne) Bungalowanlage, in der wir waren, steht in keinem Reiseführer, selbst von den Einheimischen in Nha Trang kennt sie keiner, es gibt keine Schilder, nicht einmal eine wirklich vollwertige Straße, ohne Wegbeschreibung ist es nicht zu finden – trotzdem ist sie fast immer ausgebucht. Wir hatten in Thailand von diesem Strand gehört und eine genaue Wegbeschreibung bekommen, die anderen sind auch alle auf persönliche Empfehlungen aus Kambodscha, Laos oder Singapur hin vorbeigekommen. Irgendwie spricht sich Qualität doch schnell herum 😉 (Bilder gibt’s auf meiner Doclet-Seite)

Stille…

Es waren jedenfalls wunderschöne, erholsame Tage und zum allerersten Mal in Vietnam gab es tatsächlich Ruhe. Richtige Ruhe, nicht nur nachts für ein paar Stunden, sondern rund um die Uhr. Wir sind mittlerweile fest davon überzeugt, dass die Vietnamesen wirklich auf Lärm stehen und sich in der Stille verloren vorkommen. Es ist einfach unglaublich, wieviel Geräusch sie selbst bei einfachsten Tätigkeiten erzeugen können. Selbst wenn nur drei Frauen beim Wäschewaschen zusammen sind, ist an Schlaf ohne Ohrenstöpsel nicht mehr zu denken. Ich hätte nie gedacht, wie riesig der Unterschied zu den sehr ruhigen und zurückhaltenden Thailändern sein kann. Die vietnamesische Sprache an sich ist schon sehr abgehackt, da hier immer jede Silbe einzeln gesprochen wird. Dann gibt es hier nicht nur 5, sondern sogar 7 verschiedene Tonlagen, die scheinbar völlig beliebig aufeinander folgen können, was das abhacken noch stärker betont. Wenn sich zwei Vietnamesen (natürlich quer über die Straße) unterhalten, hört es sich immer mehr wie ein im Kasernenton gebellter Anschiss höchsten Grades an, als ein freundschaftliches Gespräch unter Nachbarn. Und richtig übel ist diese Sprache über diese Propaganda-Lautsprecher, von denen ich dachte, das Thema sei mit dem Ende der Sowjetunion erledigt gewesen. Wie in jedem klassischen kommunistischen Land hängen hier auch an fast jeder Laterne flächendeckend große Lautsprecher, über die gerne „Informationen und Nachrichten für Leute, die sich kein eigenes Radio leisten können“, verbreitet werden – Zwangsberieselung mit Regierungspropaganda also. In Nha Trang haben wir sie jeden Tag in Aktion erleben müssen, nachmittags von fünf bis sechs und nachts von fünf (!) bis sieben Uhr. In voller Lautstärke natürlich, damit die armen Leute auch in ruhigen, fensterlosen Räumen nicht auf die wertvollen Informationen verzichten müssen. Es wird eben fürsorglich an jeden gedacht ;-( Glücklicherweise ist wohl nur das Parteibüro von Nha Trang so mitteilungsbedürftig, in den anderen Orten wurden wir immer nur vom Verkehrslärm geweckt.

In diesem Internetcafe läuft übrigens auch ständig Musik. Ich habe meine Ohrenstöpsel drin, wir sitzen in maximaler Entfernung vom Lautsprecher, trotzdem höre ich noch kräftige Zimmerlautstärke. Wenigstens eine einigermassen erträgliche Musikauswahl, leider wechseln die Stücke jede Minute mittendrin und völlig zufällig. In den anderen Cafes hier in der Gegend ist es genauso laut, nur das dort noch zusätzlich Vietnam- und Thaipop und/oder Karaoke-Musik läuft. „Zusätzlich“ meint zusätzlich zu der westlichen oder der Karaoke-Musik, sie haben oft auch zwei oder drei Musikanlagen gleichzeitig. (Jetzt beginnt gerade zum zweiten Mal die Modern-Talking-Runde *schüttel* Ihr seht also, uns ist kein Opfer zu groß, mal wieder etwas von uns hören zu lassen 😉

Auf dem Weg zum Wolkenpass

Reiseplanung

Aber eh‘ ihr noch glaubt, ich würde den ganzen Tag nur jammern: Vietnam ist ein supergeniales Land. Eine Wahnsinns-Landschaft mit sehr, sehr viel Natur. Wir haben mittlerweile festgestellt, das es nicht sinnvoll ist, wie üblich mit dem Bus durchs Land zu touren und sich die einzelnen Orte anzusehen. Das Land ist einfach zu riesig, die Abstände zwischen den Halten des Open-Bus sind zu groß, man kutschiert so nur von Touri-Enklave zu Touri-Enklave und mitten am echten Vietnam vorbei. Allein die ersten 300km der Fahrt von Nha Trang entlang der Küstenstraße nach Norden nach Hoi An sind wohl schon vier Wochen wert: An der Küste tolle, vollkommen einsame Strände, gewaltige Dünenlandschaften (wie Langeoog, allerdings mehrere hundert Meter hoch), richtige Passauffahrten im Küstengebirge durch die Wolken mit Wahnsinnsaussichten auf das Meer und sehr interessante Straßenführung – einfach irre. Beim nächsten Mal (wir werden bestimmt wiederkommen!) werden wir uns besser irgendeinen Teil des Landes aussuchen und die Zeit in einem kleinen Abschnitt von 200 oder 400km verbringen. Vor allem das Bergland ist unglaublich schön. Im Grunde läuft es hier wieder wie bei unserem ersten Thailand-Urlaub: Ein erster Überblick und Eindruck vom Land, mehr nicht.

beim Schneider

Kaufrausch

… ist angesagt. Wir sind letzte Woche ganz naiv in Hoi An angekommen, ohne zu wissen, dass es die Texilhauptstadt SO-Asiens ist. Die Stadt besteht praktisch nur aus Webereien und Schneidergeschäften. Ich hatte gehört, dass es dort viele Schneider geben sollte und hatte etwas ähnliches wie in Bangkok mit einigen Schneiderei-Straßen im Kopf, aber so extrem konnte ich es mir nicht vorstellen. Die haben es wirklich geschafft, meine (langsam schon zerfallende) Lieblingshose innerhalb von 4 Stunden für 9$ zu kopieren. Und Marias Lieblingshose auch noch. Ausserdem hat sie sich gleich noch ein paar andere Sachen schneidern lassen – sitzt perfekt und ist spottbillig. Bei diesen Preisen lohnt es sich schon fast, statt in Deutschland zu den ortsüblichen Phantasiepreisen zu kaufen, lieber einmal im Jahr hier hin zu fliegen und sich alles passend schneidern zu lassen. Kostet unterm Strich das Gleiche, sitzt viel besser und es springt noch ein toller Urlaub mit raus.

Wir haben hier auch schon von jemanden gehört, der wirklich konsequent nur mit einer Plastiktüte mit etwas Wäsche für die ersten paar Tage hier angekommen ist und sich hier mit allem notwendigen eingedeckt hat – nur so geht es wirklich! Auch die gesamte restliche Reiseausrüstung incl. Ruck- und Schlafsack ist hier viel, viel billiger als in Deutschland.

Reiseroute

Hatte ich schon nebenbei erwähnt: Von Dalat nach Nha Trang, dann eine 15-stunden-Tour nach Hoi An, heute Hue und morgen (nach 22 Stunden) Vientienne in Laos. Danach dann eine Woche Luang Prabang und eine Woche Luang Nam Ta, kurz vor der chinesischen Grenze.

Maria hat auch noch einiges geschrieben, hier kommt jetzt ihr Text:

Hallo Ihr Lieben,

es wird endlich mal wieder Zeit, dass ich mich bei Euch melde. Lange ist es her. Uns geht es gut und heute abend geht es mit dem Bus nach Laos. Ich bin ganz froh, dass die Zeit hier in Vietnam abgelaufen ist. Es war sehr schön in diesem Land, aber auch furchtbar laut. Überall auf den Straßen wird wie verrückt gehupt. Ich bin schon tausend Tode gestorben. Laos wird mit Sicherheit ruhiger sein.

mobile Grillstation

Im alltäglichem Leben ist es hier aber wunderschön. Alles ist noch so zurückgeblieben, so dass wir uns hier wie in einem großen Freilichtmuseum fühlen. Es ist so schön, den Bauern in den Reisfeldern bei der Arbeit zuzusehen. Der Reis wird gesetzt, er wird geerntet, gedroschen und zum Trocknen ausgelegt. Verwendet werden dazu Sicheln und kleine Dreschmaschinen, die aber mit der Hand bedient werden. Der Reis wird zum Trocknen einfach auf den Seitenstreifen der Straßen verteilt, egal ob es Neben-, Haupt- oder Nationalstraßen sind.

Die Frauen laufen mit den klassischen Tragegestellen (zwei Körbe, die mit einer Stange über der Schulter liegend miteinander verbunden sind) über Felder und Straßen. Die Körbe werden als Tragevorrichtung für Garküchen, Obst und Gemüse, Wasser, Müll etc. verwendet. Letzte Tage hatte eine Mutter sogar zwei von ihren Kindern darin transportiert. Fehlen dürfen natürlich nicht die landestypischen kegelförmigen Strohhüte.- Erstaunlich wie die Menschen es hier schaffen,auf kleinsten Fahrgestellen möglichst viel zu transportieren. Das sollten sich mal die Menschen in den kapitalistischen Ländern anschauen: Bei einer Umfrage vor ca. 15 Jahren in Münster kam heraus, dass Kunden nur für ein geringes Kaufvolumen im Umkreis von weniger als drei bis sechs Kilometern ihr Auto benuzzten. Hier fühlt man sich eher wie im Zirkus.

Also bis demnächst mal wieder,

Maria und Michael

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