Kambodschas wilder Westen

Hallo daheim!

Koh Kong mit dem Motorroller

Grenzchaos

Am Morgen nach der letzten Mail mussten wir schon um fünf Uhr aufstehen, um morgens den Bus zur kambodschanischen Grenze zu erreichen. Ich weiss nicht genau, was wir eigentlich an der Grenze erwartet hatten, aber dass, was es dann dort zu sehen gab, ganz bestimmt nicht. Es hatte überhaupt nichts von einem verschlafenen Dschungelübergang oder öden Niemandsland, sondern der Übergang selbst war der mit Abstand größte Marktplatz der gesamten Gegend. Auf thailändischer Seite jede Art von Lebensmitteln (und was manche dafür halten) und auf kambodschanischer Seite dann jede Menge von „Taxi-Driver“, das sind hier Leute, die einen Motorroller besitzen und Leute mitnehmen. Bevorzugt natürlich Touristen zu völlig überzogenen Preisen. Die ersten, besonders hartnäckigen, haben uns schon im Niemandsland zwischen den Grenzposten aufgelauert, die restliche Meute hat dann hinter der offiziellen Absperrung auf Beute gelauert. Der einzige Ort, wo wir vor ihrem ständigen „Taxi, Sir?“ sicher waren, war innerhalb des Visabüros beim Ausfüllen der Formulare. Aber sobald die Beamten aus dem Raum verschwanden, gab es wieder Angebote aller Art. Anderen Leuten wurde schon in diesem Raum sogar gleich Marihuana angeboten – im Büro der Grenzpolizei schon nicht schlecht, oder? Nebenbei: Bis heute ist uns nicht klar geworden, warum es fünf Beamte braucht, um ein Visum auszustellen. Vielleicht auch ein Weg zur Vollbeschäftigung.

Koh Kong

Jedenfalls waren wir morgens schon in Koh Kong, einer Provinzstadt im äußersten Südwesten des Landes. Die Stadt ist erst seit zwei oder drei Jahren überhaupt auf dem Landweg erreichbar, vorher gab es nur Fährverbindungen. Erst wurde eine Brücke in Richtung der Grenze gebaut und im Moment ist die thailändische Armee (!) dabei, eine Schneise in den Dschungel zu schlagen und eine Straße zum Rest des Landes hin anzulegen. Es ist jedenfalls noch sehr ruhig in dieser Gegend und der Kontrast zu Thailand war wirklich beeindruckend. Asphaltierte Straßen sind hier die absolute Ausnahme, meistens müssen Sand- und Schotterpisten genügen – auch innerorts. Der Verkehr ist auch recht ruhig, obwohl immer etliche Mopeds unterwegs sind. Autos sind uns an dem Tag in Koh Kong jedenfalls fast keine begegnet.

Wir haben uns sofort auch ein Moped besorgt und sind zu einem 20km entfernten Wasserfall auf dieser neuen Straße gefahren. „Neue Straße“ bedeutet hier aber doch etwas anderes als bei uns in Deutschland: Es war eine rote, staubige Piste übers Land und später dann eine klassische Dschungelpiste. Links Wald, rechts Wald und viele Hügel zwischendrin. Glücklicherweise hatten wir uns ja schon auf Koh Chang die Gelegenheit zu einem ausfühlichen Bergtraining mit Moped auf Aspalt genutzt, jetzt waren wir also für den Aufbaukurs „fahren auf Sand und Schotter“ qualifiziert. Und ich muss sagen: Es hat unglaublich viel Spaß gemacht! Moped fahren in so einer Landschaft ist der absolute Hammer. Am liebsten wäre ich gleich den ganzen Weg nach Sihanukville selber gefahren, aber da hätte es Probleme gegeben, einen Verleiher zu finden, der seine Maschinen ausreichend versichert hat, um eine Provinzgrenze überschreiten zu dürfen. Hier sind sogar Provinzgrenzen noch richtige Grenzen mit Passkontrolle und allem – das einzige, was es nicht gibt, sind schöne bunte Stempel im Pass. Schade eigentlich.

Hauptstraße von Sihanoukville

Sihanoukville

Wir sind also wie geplant am nächsten Tag mit der Fähre (bis heute die einfachste und schnellste Verbindung zum Rest des Landes) die ca. 150km nach Sihanoukville gefahren. Diese Stadt ist Ende der fünfziger Jahre auf dem Reissbrett (offensichtlich von Franzosen) als Küstenbadeort geplant und gebaut worden. Ein Bild, wie es bislang nur aus Spanien kannte: Teilweise kilometerlange Straßen durch das Nichts, mit Straßenlaternen, Gehwegen, Abzweigungen, grob vorgebauten Parks und ähnliches. Ein „Stadtzentrum“ aus Beton im Landesinneren und vollkommen selbstständige Stadtbezirke ohne jede gewachsene Infrastruktur an den einzelnen Stränden. Und überall verfallende Gebäude, wohl seit der Erbauung nicht mehr gepflegt. Früher schön angelegte Parks und Strandpromenaden, die im Unkraut und Staub untergehen. Ich weiss nicht, ob dieser Verfall erst aus der Zeit der Roten Khmer stammt oder schon vorher eingesetzt hat, aber heute ist auf jeden Fall kein Geld mehr da, ihn aufzuhalten. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt hier übrigens bei 285 US$, also ungefähr einem hunderstel des deutschen Wertes. Für uns sind die Übernachtungskosten mit 3 bis 10 US$ für ein Doppelzimmer lächerlich, mit dem Einkommensfaktor der Einheimischen multipliziert allerdings schon recht heftig.

Hygiene auf kambodschanisch

Gerade waren wir in der Stadt, um auf dem Nachtmarkt zu essen. In Thailand gab es ja schon manchmal etwas zweifelhafte Verhältnisse auf den Märkten, aber dass hier war einfach zu heftig. Uns ist jedenfalls fast auf der Stelle der Appetit vergangen und wir haben zugesehen, dass wir woanders essen können. Das gesamte Gelände war einige Zentimeter hoch mit verfaulenden Gemüse-, Fleisch- und Fischabfällen bedeckt, die Essensstände mittendrin. Vorbereitet wurde das Gemüse auf löchrigen Plastikfolien auf dem Boden, die Abfälle kamen dann gleich zu den anderen. Das Eis wurde der Einfachheit halber auch gleich auf dem Boden in kleinere Blöcke gesägt – wir haben dann nicht mehr weiter erforscht, ob dieses Eis nur zum äußerlichen kühlen von Getränkeflaschen oder auch für den Fisch verwendet wurde.

Straßenrestaurant in Sihanoukville

Wir waren dann schießlich in einem der vielen Straßenrestaurants. Dort stehen alle Tagesessen in großen Töpfen auf einem Tisch, man sucht sich etwas aus und bekommt es dann am Tisch serviert. Die Zubereitung können wir beobachten und zum Spülen des Geschirrs wird auch wirklich Trinkwasser verwendet. Geschmeckt hat es jedenfalls sehr gut und ich habe für uns beide zusammen für jeweils eine Suppe und ein Hauptgericht gerade einmal einen Euro bezahlt – unglaublich.

Insgesamt bin ich jedenfalls immer noch völlig platt, wie groß der Unterschied zwischen Thailand und Kambodscha tatsächlich ist. Ungefähr so wie heute hier stelle ich mir Thailand vor zwanzig Jahren vor. Uns gefällt es hier jedenfalls bislang extrem gut, sogar noch besser als Thailand. Der Osten Thailands rund um Koh Chang ist leider schon extrem touristisch, hier ist alles noch sehr natürlich. Die Mopedtaxis quatschen uns zwar ständig an und die kleinen Mädchen, die am Strand Obst verkaufen wollen nerven auch ziemlich, aber es ist trotzdem keine dumme Abzocke, sondern wohl eher blanke Notwendigkeit (Das Schreiben dieser Mail hat schon etwas mehr als zweieinhalb durchschnittliche Tageslöhne gekostet)

Ganz zum Schluss auch noch etwas zu den Verlusten an Mensch und Material: Mittlerweile hat es unsere beiden Paar Badeschlappen zerrissen, ich bin noch auf der Suche nach Ersatz (natürlich nur aus einem hiesigen Badeschlappen-Fachgeschäft, die kennen sich mit sowas aus!). Auch unsere Kratzer und Blessuren werden doch immer mehr. Hier mal in eine spitze Muschel getreten, dort mit dem Fuß hängen geblieben, beim Moped am Berg mal ordentlich verschaltet (nix Automatik, nur was für Weicheier 😉 und sonstige Blessuren. Aber alles nix ernstes, es ist nur ziemlich nervig jeden Morgen pro Fuß vier Stellen abkleben zu müssen. Bald ist unsere erste Rolle Leukosilk durch, wir haben vorhin schon Nachschub besorgt. Vielleicht sollten wir das hier als Lazarettaufenthalt am Strand verstehen? Aber wo bleiben dann die Krankenschwestern? (*aua*, Maria, nicht nochmal schlagen!)

Ein Strand in Sihanoukville

So, dass soll jetzt aber erstmal reichen. Wir werden sicher noch ein paar Tage hier in der Stadt bleiben. Denn obwohl es sich oben wohl recht negativ anhört: Die Stadt hat etwas. Die Strände sind schön, das Wasser sogar angenehm kühl und die Umgebung sehr, sehr schön. Unglaublich viel Natur haben die hier.

Gute Nacht wünschen euch Maria und Michael

PS: Auf dieser Tastatur hier kann ich mit einem kleinen Trick sogar Umlaute eingeben! Sooo aus der Welt sind wir hier also doch nicht…

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